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Zensur unter Chávez

Von Jackson Diehl

Montag, 28. März 2005; Seite A17 | Wo „Respektlosigkeit“ mit Gefängnis bestraft werden kann. Venezuelas Kommunikations- und Informationsminister, Andrés Izarra, beschuldigte kürzlich die [Washington] Post und einige andere U.S.-Medien, Teil einer Verleumdungskampagne gegen Venezuela zu sein. Diese soll von der Bush-Regierung gesteuert und vom U.S.-Außenministerium finanziert werden. Wie es scheint, zog ich Izarras Aufmerksamkeit auf mich, indem ich mehrere Texte und Leitartikel schrieb, in denen ich die Angriffe von Präsident Chávez gegen die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz sowie seine Unterstützung für antidemokratische Bewegungen in anderen Teilen Lateinamerikas beklagte.

Einer der von Izarra verleumdeten Journalisten wies darauf hin, dass dieser keine Beweise für seine Anschuldigungen habe. Laut El Universal, einer führenden Tageszeitung Venezuelas, provozierte dies den folgenden Ausbruch (auf Spanisch) vom Kabinettminister: „Mister Gringo, Sie können sich sicher sein, dass wir wiederkehren, um Sie zu besiegen... denn wir arbeiten mit der Wahrheit, wir haben Esprit und vor allem etwas sehr Besonderes, einen Führer, der uns vereinigt und begeistert, El Comandante Chávez!“

Über solche Possen lässt sich leicht lachen, wenn man – wie ich – das Privileg genießt, in einer Hauptstadt, in der Demagogen wie Izarra nicht ernstgenommen werden, für eine unabhängige Zeitung zu arbeiten. In Caracas ist das Geschimpfe des Ministers – und das seines Herren, Chávez – jedoch nicht mehr witzig. Seit Anfang dieses Monats können Journalisten oder andere unabhängige Aktivisten, die von der Regierung solcher Verstöße wie den von Izarra unterstellten bezichtigt werden, ohne eine ordentliches Verfahren eingesperrt und zu bis zu 30 Jahren Haft verurteilt werden.

Tatsächlich ist es so, dass ein Großteil der venezolanischen Medien sich der populistischen „Bolivarianischen Revolution“ von Chávez aggressiv entgegengestellt hat, jedoch nicht ohne Grund: Der ehemalige Putschist und Oberst ist auf bestem Wege, die einst stabilste und wohlhabendste Demokratie in Lateinamerika zu zerstören. Einige Zeitungen und Fernsehsender stellten sich offen an die Seite von Versuchen, den Präsidenten durch einen Staatsstreich, einen Streik oder ein nationales Referendum zu entmachten. Nachdem er alle drei Versuche überstanden hat, handelt ein gestärkter Chávez jetzt, um kritische Journalisten auszuschalten und in Venezuela eine staatlich kontrollierte Medienlandschaft aufzubauen, in der ein Informationsminister wie Izarra allmächtig ist.

Der erste Schritt war ein neues Gesetz über Medieninhalte, das im vergangenen Dezember von der von Chávez kontrollierten Legislatur durchgesetzt wurde und das Rundfunksender hohe Geldstrafen oder den Verlust ihrer Sendelizenzen androht, falls sie Informationen verbreiten, die „der nationalen Sicherheit entgegenstehen“. Die Auswirkungen waren bald zu spüren: Zwei der profiliertesten regierungskritischen Journalisten verloren ihre Stellen als Nachrichtenmoderatoren in TV-Morgensendungen, und Venezolaner bemerkten alsbald das Eintreten der Selbstzensur unter den verbliebenen.

Zehn Tage später gab Chávez Izarra einen noch größeren Knüppel: Ein neues Strafrecht, dass praktisch jede Form von Ausdruck kriminalisiert, gegen den die Regierung Einwände erhebt – nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Bereich.

Beginnen wir mit Paragraph 147: “Jeder, der durch seine Worte oder schriftlich oder in jeglicher anderen Weise den Präsidenten der Republik oder jemanden anders, der seine Pflichten ausführt, respektlos behandelt, wird mit 6 bis 30 Monaten Haft bestraft, wenn der Verstoß schwer ist, mit der Hälfte, wenn er leicht ist.“ Diese Strafe, so deutet es das Gesetz an, gilt für alle jene, die den Präsidenten oder seine Funktionäre im privaten Bereich respektlos behandeln; „die Haftdauer wird um ein Drittel erhöht, wenn der Verstoß öffentlich verübt wird“.

Aber es gibt noch mehr: Laut Paragraph 444 können Kommentare, die „eine andere Person der Verachtung oder dem öffentlichen Hass aussetzen“, mit einer Gefängnisstrafe von ein bis drei Jahren bestraft werden; gemäß Paragraph 297a muss jemand, der durch ungenaue Berichte „öffentliche Panik oder Angst“ schürt, mit bis zu fünf Jahren rechnen. Staatsanwälte sind befugt, angeblich kriminelle Ungenauigkeiten nicht allein in Zeitungen und elektronischen Medien zu verfolgen, sondern auch in der E-Mail- und Telefonkommunikation.

Das neue Gesetz hebt sich die härtesten Strafen für Journalisten oder andere auf, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, wie die Wahlbeobachtungsgruppe Súmate, die vom National Endowment for Democracy [der in den USA basierten Nationalen Stiftung für Demokratie] teilfinanziert wurde. Venezolaner oder Ausländer, die im Land leben, können mit einer Gefängnisstrafe von 10 bis 15 Jahren dafür bestraft werden, dass sie Unterstützung aus dem Ausland erhalten, die „der Bolivarianische Republik Venezuela zum Nachteil gereichen... oder die soziale Ordnung destabilisieren könnte“, was auch immer das heißt. Personen, die der Verschwörung gegen die Regierung in Zusammenarbeit mit einem anderen Land beschuldigt werden, können mit 20 bis 30 Jahren Haft bestraft werden. Das neue Strafrecht legt außerdem fest, dass jeder, der dieser Verbrechen beschuldigt wird, kein Recht auf einen ordentlichen Rechtsprozess hat. Mit anderen Worten: Sollte Izarra feststellen, dass meine in Caracas basierten Kollegen weiterhin unerlaubt mit dem U.S.-Außenministerium gegen Venezuela zusammenwirken, könnten sie kurzerhand eingesperrt werden.

Chávez und seine Propagandamaschinerie fühlen sich nicht daran gebunden, gemäß ihren eigenen Regeln zu leben. Der Präsident hat grobe Beleidigungen an Präsident Bush gerichtet und noch vulgärere sexuelle Andeutungen an Außenministerin Condoleezza Rice. Seine Regierung hat bereits Hunderttausende von Dollar ausgegeben, um U.S.-Amerikaner in den USA zu finanzieren, die Artikel und Briefe schreiben, in denen sie Chávez verherrlichen und die Bush-Regierung attackieren. Izarra selbst könnte aufgrund seiner eigenen Verleumdungsgesetze wegen seiner falschen Behauptungen über U.S.-amerikanische Journalisten angeklagt werden. Er hat aber Glück: Seine Gegner hier sind eine demokratische Regierung und ein Leitartikler, dem er einfach lächerlich erscheint.



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